Menschen gucken glücklich in die Kamera

Gesichtserkennung bei Events: Segen oder Fluch?

Technologien für die Gesichtserkennung sind keine Zukunftsmusik mehr, sondern halten Einzug in den Alltag – beim Entsperren des Smartphones bis zur Passkontrolle am Flughafen. Was bringt Face Detection für die Eventbranche?

Amazon liefert nicht nur täglich Millionen von Paketen aus. Der E-Commerce-Riese aus den USA ist auch eines der führenden Unternehmen im Bereich der Gesichtserkennung in Echtzeit. Der Hintergrund? Amazon will es seinen Nutzern so einfach wie möglich machen, Produkte online oder im stationären Handel zu erwerben.

Warum also nicht – statt komplizierter Passwörter oder Zugangsdaten – das eigene Gesicht verwenden? Schließlich hat man das immer dabei, und in den meisten Fällen gibt es das eigene Gesicht ja nur einmal auf der Welt! Ausnahme: Tom Cruise in den Mission Impossible Filmen. Aber das gibt es ja nur in Hollywood…

Einzug in den Alltag

Nutzer der neuesten Smartphones haben sich längst daran gewöhnt, ihr Mobiltelefon einfach durch Anschauen zu entsperren. Die Technologien werden immer schneller und immer zuverlässiger. Ob bei der Passkontrolle oder beim Flughafen-Checkin, fast täglich kommen neue Anwendungsfälle hinzu.

Mittlerweile erkennt Gesichtserkennungs-Software sogar das verkaterte, zerknitterte Gesicht mit 3-Tage-Bart. 

Gut oder schlecht für die Event-Industrie?

Klar, dass auch bei Messen, Konferenzen und Events das Thema Gesichtserkennung immer relevanter wird. Aber ist das uneingeschränkt super, oder gibt es auch ein paar gruselige Aspekte?

Einiges spricht für den Einsatz von Gesichtserkennungs-Software bei Events: 

  1. Check-In: Das gedruckte Ticket war gestern. Heute gibt es Handy-Tickets, Wallet, QR-Codes, iBeacons oder RFID. Der Check-In bei einem Event wird durch neue Technologien beschleunigt, das wiederum führt zu einem besseren Event-Erlebnis der Teilnehmer. Wer steht schon gern in der Schlange? Gesichtserkennungs-Software hat das Potenzial, die Wartezeiten beim Check-In nochmals zu verkürzen, wenn überhaupt kein Badge mehr gedruckt oder vorgezeigt werden muss. Das spielt gerade bei besucherstarken Messen eine große Rolle. Bei den ICE Awards in London konnte der Check-In Prozess angeblich fünfmal so schnell wie in der Vergangenheit abgewickelt werden. Voraussetzung: Es liegen von allen Teilnehmern Profilfotos in der Datenbank vor. 
  2. Zugangskontrolle: In Zeiten von Terrorgefahr und bei besonders sicherheitsrelevanten Events bietet Gesichtserkennungs-Software das Potenzial, dass wirklich nur die berechtigten Teilnehmer auf den Event kommen dürfen. Das System schlägt Alarm, wenn sich jemand einzuschleichen versucht, der/die dort nicht hingehört. Dann kann das Check-In- oder Security-Personal eingreifen.
  3. Kontaktaustausch: Wie schön wäre es doch, wenn man zum Austausch der Kontaktdaten einfach nur ein Foto seines Gegenüber aufnehmen müsste? Wir merken uns Gesichter sowieso besser als Namen. Wenn zwei Gesprächspartner auf einem Event mit Gesichtserkennung eingecheckt haben und ihre Profilfotos in der Teilnehmer-Datenbank hinterlegt sind, brauchen sie mit dem Smartphone sich eigentlich nur gegenseitig zu fotografieren und schwupps! haben sie die Kontaktdaten ausgetauscht.
  4. Pay-by-Selfie: Ein Patent von Amazon Web Services, bei dem statt einem Passwort einfach ein Selfie aufgenommen wird. Es genügt ein Augenzwinkern in die Kamera, um den Bezahlprozess auszulösen. Man braucht also noch nicht mal mehr eine Kreditkarte, ja, noch nicht mal ein Smartphone, um den Eintrittspreis zur Messe oder zur Konferenz zu bezahlen!
  5. Personensuche: Ein Alptraum für Eltern – beim Besuch im Disneyland oder auf dem Musikfestival hat sich das Kind verlaufen. Kein Problem mit Gesichtserkennungs-Software und Überwachungs-Kameras. Im Nu ist der kleine Ausreisser wieder in den sicheren Armen der Eltern. Genauso könnte man auf Messen verfolgen, wofür sich ein spezifischer Besucher interessiert hat, welche Wege er gelaufen ist, welche Aussteller er am interessantesten fand (Aufenthaltsdauer!). Hier könnten findige Messemanager ganz neue Umsatzgeneratoren anwerfen: Gesponsorte Links anderer Aussteller mit ähnlichen Produkten einspielen. Aber hier erkennt man schon den Übergang zu den gruseligen Aspekten von Gesichtserkennung.

Das sind eher kritische Punkte:

  1. Privatsphäre / DSGVO: Was haben wir nicht alles unternommen, um den Anforderungen der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung zu entsprechen. Und da haben wir gelernt, dass ohne die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Personen nichts mehr gespeichert werden darf. Genauso muss ein Unternehmen jederzeit in der Lage sein, nachzuweisen, wann und wie die betroffene Person ihre Einwilligung zur Speicherung personenbezogener Daten gegeben hat. Das automatische Tracking über Gesichtserkennung und womöglich die Speicherung von Bewegungsprofilen sind der Alptraum jedes Datenschützers.
  2. Mood detection: Die neuesten Systeme zur Gesichtserkennung identifizieren nicht nur Personen. Sie sind sogar in der Lage, Stimmungen zu erkennen. Typischer Anwendungsfall: Ich komme von der Arbeit nach Hause, mein Smart Home Musiksystem schaut mir nur einmal ins Gesicht und weiss schon, wie ich drauf bin. Wie von Zauberhand spielt das System “Happy” von Pharrell Williams. Oder doch lieber “Hells Bells” von AC/DC? Beim Mediziner-Kongress reicht also ein Foto des Plenums, um zu sagen, ob der Vortrag mies oder Nobelpreis-verdächtig war? Und wenn wir das dann noch alles speichern wollen und Big Data Analysen fahren, dann reicht das Wort “gläsern” schon nicht mehr, um den Aggregatzustand unserer Kunden zu beschreiben.

Fazit

Technologie ist toll. Wir bei Converve lieben Technologie! Aber nur in Verbindung mit einem aktiven Diskurs, welche Auswirkungen neue Technologien mit sich bringen, und ob sie wirklich zum Wohle der Besucher und der Eventindustrie sind.

Und da ist schließlich jeder Einzelne gefragt, was und wieviel sie/er von sich preisgeben möchte. 

Bei aller Euphorie gegenüber dem Potenzial von Gesichtserkennung ist hier große Vorsicht geboten.